Claire schlich leise durch den düsteren Flur, ihre schwarzen High Heels hinterließen kaum einen Laut auf dem knarzenden Holzboden. Vor der schweren, geschnitzten Holztür hielt sie einen Moment inne. Ihre Hand zitterte leicht, als sie den seidigen Stoff ihrer Maske zurechtrückte, die zarte Spitze umrahmte ihre Augen, verbarg ihre Identität und verlieh ihr zugleich ein geheimnisvolles Gefühl von Freiheit. Es war das Spiel der Verführung und Anonymität, das sie jedes Mal elektrisierte, wenn sie dieses Haus betrat.
Ihr Nachbar ließ ihr stets die Tür unverschlossen. Er wusste, dass sie kommen würde. Immer zur selben Zeit, immer mit derselben stillen Eleganz. Sie öffnete die Tür und trat in den Salon, der von warmem Kerzenschein und dem schwachen Duft von altem Holz und edlen Stoffen erfüllt war. Der Mann, dessen Namen sie nicht kannte und den sie nie zu Gesicht bekam, hatte sich erneut unsichtbar gemacht, ihr die Bühne allein überlassen.
Vor dem antiken Mannborg-Piano blieb sie stehen, ließ ihre Finger sanft über die vergilbten Tasten gleiten. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sich auf den Hocker setzte, ihre nackte Haut prickelte unter der Berührung des samtigen Stoffes. Ihre Hände schwebten über den Tasten, dann begann sie zu spielen – leise, zärtliche Melodien, die die Stille durchbrachen und den Raum mit einer intimen Atmosphäre füllten.
Claire spürte, dass er da war. Irgendwo in den Schatten, lauschend, jede ihrer Bewegungen mit seinen Augen verschlingend. Der Gedanke, beobachtet zu werden, ohne dass er sie wirklich kannte, entzündete ein Feuer in ihr. Sie spielte nicht nur für ihn, sondern auch für sich selbst – ein sinnliches Ritual, das sie beide in dieser stillen, verlockenden Symbiose verband.
Die Musik hallte leise nach, während Claire ihre Lippen an die Tasten führte und eine letzte Note in die Dunkelheit schickte.